Motorradreparatur und die kasachische Familie
Die Reparatur ist nach eineinhalb Tagen Arbeit und mit viel Improvisation gelungen und das Motorrad läuft wieder!!!
Analyse
Wie konnte es zu solch einem Crash kommen? Einmal bin ich für die Straßenverhältnisse deutlich zu schnell gefahren und es war nicht ein riesen Schlagloch, sondern 2 Bodenwellen direkt hintereinander. Die erste hat praktisch den Federweg auf 0 gesetzt und die zweite Welle hat dann voll durchgeschlagen. Ich konnte es gar nicht glauben, sogar das Starterrelais im Sicherungskasten ist aus der Fassung geflogen.
Lösung
Ganz einfach! Eine Adapterplatte, um den Gepäckrahmen über die Fußrastenhalterung an die Getriebeglocke anschrauben zu können. Vorher hatte die Befestigung der Gepäckbrücke je eine 10mm Schraube und nun ist die Adapterplatte mit je 3 8mm Schrauben fixiert. Muss halten 🙂
Spruch eines Weltreisenden: Die Lösung muss nicht toll aussehen, sondern nur funktionieren, damit es weiter geht … (Panni)
Hier die Geschichte und die Aktionen im Detail
Nachdem der Crash passiert war, habe ich erst mal eine viertel Stunde neben mich gestanden und war von der Rolle. Die Gedanken kann ich gar nicht niederschreiben und es waren sehr viele Flüche dabei.
Irgendwann haben 2 junge Kasachen mit ihren Freundinnen in einem SUV angehalten und gefragt, ob ich Hilfe bräuchte. Die Kommunikation war natürlich schwierig, da mein Russisch nicht ausreichte und deren English auch sehr begrenzt war. Aber irgendwie haben wir uns doch verständigen können.
Damit wir einen Abschleppdienst, der ca. 60km entfernt war, organisieren konnten, wurde die Maschine hinter einer Hecke versteckt … und das Gepäck umgeladen.
Anschließend haben mich die vier zur Werkstatt gebracht und nebenbei für mein leibliches Wohl mit Essen und Trinken gesorgt. Ich muss wohl ziemlich fertig ausgesehen haben. In der Werkstatt war dann nach 2 Stunden ein LKW organisiert und um das Motorrad auf die Ladefläche heben zu können + 4 Personen. Für die Fahrzeugbergung wurde ein Preis von 10.000KZT –> 27€ ausgemacht.
In der Werkstatt habe ich erst mal in Ruhe den Schaden analysiert, Fotos gemacht und Otto Rabe, meinem Werkstattmeister in Deutschland den Schaden zwecks Analyse und Rep. Idee zu geschickt. Während ich noch mit Otto Rabe diskutiert habe, hat Wlad, ein 17 jähriger Schüler bereits angefangen, eine Lösungsidee für eine Adapterplatte zu entwickeln und dazu eine Pappschablone gebaut. Unglaublich, dieser „Junge“.
Otto Rabe hat nach kurzer Sichtung der Fotos unabhängig von Wlads Idee auch eine Adapterplatte vorgeschlagen, die über die Fußrastenbefestigung ans Getriebe angeschraubt wird. Abends um 19:00 war dann der Lösungsweg klar und dann ging es an die Arbeit.
Palitsch, der Großvater von Wlad hat mich im Laufe des Abends wie selbstverständlich erst mal zum Essen eingeladen und natürlich nebenbei zu einem „Wässerchen“ zur Nervenberuhigung. Es ist aber nicht bei einem Wässerchen geblieben … Anschließend war klar, dass ich auch hier schlafen kann und Vollpension bekomme, alles wie selbstverständlich …. Im Laufe des Abends lernt man sich ja auch näher kennen und Großvater Palitsch erzählte mir, dass er früher Biathlet gewesen ist und 1968 sogar kasachischer Meister war. Es waren noch viele Familiendetails dabei, die ich aber hier nicht aufschreiben möchte. Ich habe dann auch erzählt, dass ich in die Mongolei fahren möchte und zum Baikalsee. Irgendwie war das für Palitsch und seine Frau nicht nachvollziehbar, aus Lust und Laune so eine Tour zu unternehmen. Auch finanziell war das für die Beiden nicht nachvollziehbar und sie haben nur mit dem Kopf geschüttelt.
Gegen Mittag am zweiten Tag waren die Adapterplatten für die rechts und links Fußrastenseite konstruiert und das Material für die Schweißarbeiten zurecht geschnitzt. Wir haben richtig dicke Eisenplatten verarbeitet, soll ja halten. Gegen 18:00 war das Motorrad soweit hergerichtet, das ich eine erste Probefahrt machen konnte. Hab glaube ich Wlad eine riesen Freude machen können, in dem er auch eine Probefahrt mit Betty machen durfte. Um 20:00 war die Maschine wieder voll bepackt und startklar. Ich kann euch sagen, es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl nach dem Desaster.
Tja, wenn man mal so richtig in der „Sch…“ steckt und nicht mehr weiß, wie es weiter geht und es wird einem dann die Hand gereicht mit den Worten „no problem“ und es nachher tatsächlich funktioniert, hat mich das sehr bewegt und mir tiefen Respekt vor diesen Menschen in Kasachstan gelehrt.
Palitsch wollte weder für die 2 Tage Vollverpflegung und den Aufwendungen in der Werkstatt keinen Cent haben und meinte, ich sollte doch nach der Mongolei wieder bei ihm rein schauen und einen Wodka mit ihm trinken … Habe mich aber nicht lumpen lassen …. Bei der Verabschiedung hatte ich feuchte Augen. Das sind Begegnungen, die es in keinem Standardurlaub zu buchen gibt. Aber den größten Eindruck hat Wlad als 17 jähriger auf mich hinterlassen durch seine theoretische und praktische Durchdringung des Problems bei meinem Bike und anschließend der Umsetzung der Lösungsidee.
Bin inzwischen 680km weiter nach Semey gefahren. Betty schnurrt jetzt wieder wie ein Kätzchen.
Hallo Josef ! Wenn du glaubst es geht nichts mehr ,dann kommt vom Himmel ein Schlosser daher !! Ich finde es total super das du nicht aufgibst ! Das habt ihr doch super gelöst .Viel Spaß noch und komm heile wieder . Gruß Robert F.
Hallo Robert,
so ungefähr könnte das Gebet gewesen sein. Aber dieses Erlebnis hat meinem mentalen Gerüst eine heftige Beule verpasst. Daher habe ich erst mal die Route zum Baikal eingeschlagen, um wieder ganz in die Balance zu kommen. Die Strecke durch Sibirien ist ja recht gut zu fahren, gute Straßen und wenig Verkehr. Bisher sind keine weiteren Schäden am Motorrad sichtbar geworden, außer dass die Bodenfreiheit (warum?) geringer geworden und der Hauptständer ein Stück verbogen ist. Der Hauptständer muss bei der Bodenwelle auch aufgesetzt haben.
Ein österreichischer Biker, den ich in Irkutsk wieder getroffen habe, berichtete mir, das es ihn an der gleichen Stelle auch fast vom Motorrad geschmissen hat. Er fährt eine Yamaha WD 250, die mehr Bodenfreiheit, einen längeren Federweg hat und deutlich leichter ist.
ja josef, das sind diese erlebnisse, die nicht buchbar, nicht planbar, nicht käuflich sind, aber deshalb so wertvoll. ich freue mich sehr für dich, dass du weiterhin unterwegs sein kannst, der weg ist das ziel.
alles gute weiterhin und danke dass ich dabeisein darf.
jörg
Guten Tag Josef, wie geht es dir? Wie dein Motorrad? Jeden Tag habe ich einen Blog zu lesen, ich sehe Trakk 2016, ich wünsche Ihnen viel Glück
Hi Wlad,
das ist aber eine sehr schöne Überraschung, dass Du mich auf meiner Homepage verfolgst. Das es überhaupt weiter geht, habe ich zu einem großen Anteil Dir zu verdanken.
Mit dem Motorrad ist bisher alles ok, musste nur die Schrauben an der Fußrastenhalterung noch mal nachziehen.
Wenn alles gut läuft, komme ich in 5 Wochen kurz bei Dir vorbei. Liebe Grüße an Palitsch und Deiner Großmutter.
Viele Grüße
Josef
Hallo Josef,
Das hat ja noch einmal gut geklappt, die Reparatur sieht ziemlich stabil aus , sollte halten👍. Jetzt , wo ich lese , das dein Handy auch nicht mehr funktioniert , ist klar das du meine Nachricht nicht bekommen hast, aber Notebook geht,super😉
Pass weiter gut auf dich auf und liebe Grüße Gunda und Egon
Hi Egon,
ja ohne Handy ist es irgendwie schwierig und ich fühle mich doch ziemlich unkommunikativ. Netbook funktioniert Gott sei Dank.
Ich bin heute in Branaul angekommen. Es ist eine totale Umstellung, ab dem Grenzübertritt von Kasachstan nach Sibierien fühle ich mit einem Schritt wieder in Europa. Alles ist wohl geordnet, die Straßen sind super und auch die Reklame hat einen bekannten flair. Da Branaul eine Großstadt ist, werde ich morgen versuchen, ein neues Handy zu kaufen, sollte klappen.
Liebe Grüße euer
Josef
Hallo Josef,
Joscha und ich studieren immer wieder mal deine Berichte und es freut uns (ich spreche jetzt einfach mal für ihn), dass es nach den „Rückschlägen“ immer wieder weiter für dich geht. Wir wünschen dir weiterhin gute Fahrt und weiter solche Eindrücke und Kontakte, von denen du hier eindrucksvoll berichtest! Wir lesen weiter, versprochen 😉
He Andreas,
das ist ja eine schöne Überraschung, einen Eintrag von Dir/euch zu lesen. Ich bin auch riesig froh, dass die Reparatur im nachhinein doch so problemlos gelaufen ist. Kann es manchmal noch gar nicht richtig fassen. Und Danke für die lieben Wünsche, die nehme ich doch gern mit auf den Weg.
Liebe Grüße auch an Deine Familie
Josef
super! weiter so!
Hallo Josef,
freu mich riesig für Dich!
Dann hat das Daumen drücken ja doch geholfen.
Pass auf Dich auf und rase nicht wieder so schnell 🙂
Liebe Grüße
Otmar
Moin Otmar,
mit dem schnell fahren hat sich erst mal erledigt und bei der Sichtung von Schlaglöchern ist derzeit noch ein Flashback Gefühl vorhanden. Das muss erst mal überwunden sein. Muss mir in Branaul noch ein neues Smartphone kaufen, da das bei dem Crash auch drauf gegangen ist. Fühle mich echt behindert ohne Smartphone und zudem derzeit noch ohne Navi.
Drück mir weiter die Daumen und Dir ebenfalls
Liebe Grüße
Josef
Eine beeindruckende Geschichte.. Da hast Du ja richtig Glück gehabt! Schön, dass es jetzt weitergeht. Viele Grüße und gute bzw. bessere Fahrt! Tobias.
Hallo Tobias,
mir scheint, dass Du ein fleißiger Blog Leser bist, schön zu wissen. Ich weiß aber nicht, ob ich immer so beeindruckende Geschichten schreiben möchte. Die Erlebnisse hinterlassen ja doch Spuren und ich fühle mich dabei manchmal ganz schön alt 😉 .
Viele Grüße
Josef